Archiv 5-6/2004
Unsere Kandidaten für den Mai und Juni 2004
Kandidat 1
In den Universitäten werden derzeit Mittel, Stellen und ganze Fachbereiche gestrichen. Das Wunderbare an der Hochschulautonomie ist, dass die für Betroffene härtesten Entscheidungen von KollegInnen zumindest mittelbar beschlossen werden müssen. Wie sachorientiert solche Entscheidungen sind, kann in einer kleinen Metaphernkiste nicht besprochen werden. Konkret: in Bonn soll die Slavistik mehr oder weniger dicht gemacht werden. Die Proteste eines Russisch-Lektors vor allem auch gegen die universitätsinternen Gremien und Amsträger ärgern einen emeritierter Professor der Geschichte und führen zu folgender Metapher:
"Es handelt sich nicht um ein 'unsinniges Treiben' (...) sondern um einen gewachsenen Beschluss (...). [D]er Griff zur öffentlichen Keule hat gegenüber Sachargumenten nie geholfen. Die immer wieder erfolgreich angewandte Strategie, intern in einer sachlichen Auseinandersetzung (...) nach Lösungen zu suchen und dann erst mit der Obrigkeit (...) zu verhandeln, hat stets weitergeführt (...). Aber es gilt nach wie vor, Stierkämpfer kämpfen gegen Stiere, aber nicht gegen Kollegen; allerdings versuchen sie, diese durch Können zu übertreffen und so kommt es dann zu einer Reihenfolge (ranking)." (Prof. em. Dr. Hans Pohl, Leserbrief im General-Anzeiger Bonn, 13.5.2004, 14)
Unsere Laudatio: Wissenschaft als Stierkampf, das hieße den Untersuchungsgegenstand zu ruinieren, den wir bearbeiten. Wenn die Vergangenheit uns nicht gefällt, haben Historiker sie zu Tode gehetzt, wenn die Wirtschaft nicht laufen will, sind Ökonomen für den Aufschwung ein rotes Tuch, und wenn Kollegen windschiefe Metaphern produzieren, sind möglicherweise die Metaphernforscher verantwortlich, die sie aufspießen...? So weit wie der emeritierte Matador wollen wir dann wohl doch nicht gehen... [do].
Kandidat 2 (unser Sieger)
Ein biologisches Wunder ist vom Fußball-Transfermarkt zu berichten:
"Ziege wird ein Fohlen" (spiegel-online, 9.6.2004)
Unsere Laudatio: Dem langzeitverletzten ehemaligen Top-Spieler ist bei der anstehenden Europameisterschaft und seinem anschließenden Vereinswechsel viel Erfolg zu wünschen. Als Fußball-Fans wünschen wir, dass Ziege - nicht nur eigennamensmetaphorisch - keinen Grund zum Meckern geben wird! [do]
Kandidat 3
Mitunter verrät die Wahl der Metaphern mehr über den Sprecher als über durch die Metapher beschriebenen.
"Das gute Abschneiden der Grünen kommentierte Glos am Montagabend in der N24-Talkshow Was erlauben Strunz: 'Die Zecke kommt immer besser weg als das Wirtstier'. Er fügte hinzu: „Die Schwierigkeit ist: Die Zecke braucht, um langfristig zu überleben, ein neues Wirtstier. Ich bin dagegen, dass wir das Wirtstier spielen.“ (Süddeutsche Zeitung, 15.6.2004)
Unsere Laudatio: Abgesehen davon, dass sich hier der CSU-Landesgruppenchef sprachlich in die Tradition der Nazis begibt, die politische Gegner als auszurottende Parasiten metaphorisiert haben - auch ostdeutsche Neonazis bezeichnen Menschen, die ihnen nicht in den Kram passen gerne mal als Zecken - , führt sich das von Herrn Glos gewählte Bild selbst ad absurdum: Mit einem Wirtstier hat die CSU nichts gemein, worum es hier geht, ist Wirtshausmetaphorik. [do]