Archiv 2/2004
Unser Archiv für den Februar 2004
Kandidat 1
Nicht nur das Leben ist für viele Mitmenschen eine reine Kosten-Nutzen-Rechnung, sondern offensichtlich auch der Tod:
"Umsonst ist der Tod, und... der kostet Geld / Bestatter sehen schwarz [...] Der Tod kostet die Hinterbliebenen auch 2500 bis 3500 Euro. Nicht eingerechnet Kränze, Grabsteine, Totengräber und Leichenschmaus. Trotzdem kämpfen immer mehr Bestatter ums Überleben. (...) Mit dem Sterben ist es ein Kreuz, meinen Bestatter und stöhnen. ..." (Westfalenpost 11.2.2004)
Unsere Laudatio: Die Westfalenpost ist ein Meister des metaphorischen Spiels vom Tod und liefert hier ein schönes Beispiel zum Thema "Sprachspiel und schwarzer Humor". Klar ist allerdings, dass die Bestatter von sich aus kein Sterbenswörtchen darüber verlieren, dass selbst mit verhältnsimäßig billigen Feuerbestattungen auch immer noch Asche zu machen ist. [kg]
Kandidat 2
Der Vorstand des VfL Bochum, Dieter Meinhold, verrät metaphorisch ein Geheimnis seiner Geschäftsmethoden:
"[S]eit Neururer beim VfL Bochum arbeitet, wirken seine Auftritte nicht mehr so überzogen wie früher, nicht mehr als Selbstinszenierung. Inzwischen weiß er seine plakativen, zugespitzten Sprüche zu dosieren. "Manchmal müssen wir ihn noch mit dem Lasso einfangen", sagt Meinhold, "aber er ist teamfähig geworden." (FAZ, 13.2.2004)
Unsere Laudatio: Der Trainer als wildes Pferd, das im tief im Westen ab und zu per Lasso zurückgeholt werden muss: Dieses Bild gefällt, denn auf solch wilde Pferde zu setzen scheint sich bei der derzeitigen Top-Mannschaft aus Bochum - die momentan den Fußball- und Metaphernfreunden von metaphorik.de größte Freude bereitet - zu lohnen. Und ein Unterschied zwischen den erfolgreichen Bochumern und den weniger konstanten Teams wie z.B. denen aus Berlin, Köln oder Kaiserslautern zeigt sich auch: es gibt einen Unterschied zwischen der Trainer-Einstellung und der Trainer-Einstallung. [do].
Kandidat 3 (unser Sieger)
Marcus Callies machte uns auf folgenden Beleg aufmerksam: Reinhold Robbe, MdB der SPD, bemüht den Ackerbau als Bildspender für die Politikvermittlung.
"Er [der designierte SPD-Generalsekretär] wird auch beweisen, dass er Biss hat, dass er in der Lage ist, semantisch dieses schwierige Feld der Reformagenda zu beackern, das heisst schwierige Zusammenhänge auf einen einfachen Nenner zu bringen unddas zu verkaufen." (ZDF, heute-journal 10.2. 2004.
Unsere Laudatio: Die semantische Feldtheorie hat also Einzug in das hohe Haus gefunden. Ackerbau, Bruchrechnen und Marketing scheint der metaphorische Triathlon für krisengeschüttelte Parteipolitiker zu sein. Oder um das Bildfeld weiter zu bestellen: wir hatten immer schon den Verdacht, dass uns auch in der Politik die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln verkaufen. [mc/do]
Kandidat 4
In der Karnevalszeit erregt folgende Notiz unsere gesammelte metaphorische und metonymische Aufmerksamkeit:
"Onkel Dagobert kauft Miss Piggy - Der Disney-Konzern, Vater von Figuren wie Donald und Dagobert Duck, hat am Dienstag angekündigt, die Rechte an den Muppets und anderen Puppen von der Jim Henson Company zu kaufen." (heise-online, 18.2.2004)
Unsere Laudatio: Das Schöne an dieser Schlagzeile ist die gelungene Verbindung von Metonymie und Metapher. Dagobert und Piggy sind einerseits die pars-pro-toto-Repräsentanten der mit ihnen verbundenen Medienkonzerne - also metonymisch zu verstehen -, andererseits steht Dagobert mittlerweile metaphorisch für sprichwörtlichen Reichtum. Zudem sind hier die Geschlechterrollen - der reiche Mann Dagobert und die arme Frau Piggy - recht typisch machistisch-metaphorisch verteilt, worauf uns Veronika Koller aufmerksam machte. Hoffen wir jedenfalls, die Muppets sitzen jetzt keiner Ente auf und Miss Piggy wird nicht zum armen Schwein. [do]