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Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice. Versuche einer
metaphorischen Bewältigung der Erdbebenkatastrophen von
Haiti und den Abruzzen
Judith Visser, Universität Bochum (judith.visser@rub.de)
Abstract
2009 und 2010 haben zwei große Erdbeben in Haiti und Italien die Weltöffentlichkeit
erschüttert. Das erlittene Trauma der Opfer, aber auch die weltweite Betroffenheit schlugen
sich in der Produktion und Publikation von Gedichten über die Erdbeben nieder. Im Falle
Haitis wurde im Internet ein Gedichtband gegen Spende an eine Hilfsorganisation angeboten.
In den Abruzzen veröffentlichten die Edizioni Tracce und die Associazione Poeti Abruzzesi eine
Gedichtsammlung. In diesen Texten, die von Bewohner*innen der Gebiete, aber auch von an
der Katastrophe nicht unmittelbar Beteiligten verfasst wurden, zeigen sich verschiedene
Deutungsmuster für das Geschehene, die als Versuch interpretiert werden können, das
Erlittene begreifbar zu machen. Im vorliegenden Beitrag soll mittels einer Analyse der sich
manifestierenden metaphorischen Konzepte eine Auseinandersetzung mit rekurrenten
Perspektivierungen erfolgen mit dem Ziel, sowohl typische als auch kultur- oder länderspezifische
(sprachliche) Verbildlichungen für Katastrophen allgemein und Erdbeben im
Besonderen zu erarbeiten, aber auch Hypothesen über den Zweck dieser Deutungsmuster zu
generieren.
In 2009 and 2010, two major earthquakes in Haiti and Italia shocked the whole world. The
trauma suffered by the victims, but also the worldwide dismay, was reflected in the
production and publication of poems about the earthquakes. In the case of Haiti, a volume of
poetry was offered on the internet in return for a donation to an aid organization. In Italy, the
Edizioni Tracce and the Associazione Poeti Abruzzesi published a collection of poems. In these
texts, which were written by residents of the area, but also by those who were not directly
involved in the disaster, there are various patterns of interpretation for what happened, which
can be interpreted as an attempt to make what has been suffered understandable. In the
present contribution, an analysis of the manifesting metaphorical concepts is intended to deal
with recurrent perspectives with the aim of developing both typical and culture- or countryspecific
(linguistic) conceptualisations for disasters in general and earthquakes in particular,
but also hypotheses about the purpose to generate this pattern of interpretation.
1. Einleitung
Erdbeben sind in der romanischsprachigen Welt keine Seltenheit. Ihre mediale
Außenwirkung und ihr Einfluss auf gesellschaftliche, religiöse und politische
Debatten sind unterschiedlich stark (cf. z.B. Janku/Schenk/Mauelshagen
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2012).1 Für die Betroffenen selbst kann ein Beben, auch wenn die Zahl der
Verletzten und Toten, wie beispielsweise in Chile 2010, im Verhältnis niedrig
erscheint, nachhaltig traumatisierend sein, unabhängig davon, wie die Weltöffentlichkeit
darauf reagiert.
Zu den in der westlichen Welt als besonders zentral wahrgenommenen Beben
gehört dasjenige von Lissabon aus dem Jahre 1755: „The Great Lisbon Earthquake
is often referred to as the crucial turning point from a religious
interpretation of earthquakes to a rational understanding of them as natural
phenomena“ (Leikam 2015: 76). Insbesondere aus philosophisch-religiöser
Perspektive hat es weit über die Grenzen Portugals hinaus Weltsichten erschüttert
und verschiedene Formen der medialen und literarischen Auseinandersetzung
nach sich gezogen. Zu den Texten mit hohem Bekanntheitsgrad gehört
der Poème sur le désastre de Lisbonne von Voltaire. Zwar sind, wie jüngst Vanborre
(2014) in ihrem Sammelband mit Bezug auf Haiti gezeigt hat,2 Gedichte keineswegs
die einzigen literarischen Formen, mit Hilfe derer Erdbeben oder andere
Naturkatastrophen verarbeitet werden. Dennoch handelt es sich offenbar um
eine Form, die auch diejenigen Menschen zum Ausdruck ihrer Erschütterung,
ihres Mitgefühls, ihrer Solidarität bewegen, die sich in ihrem Alltag eigentlich
nicht der Produktion literarischer Werke widmen. Soziale Netzwerke geben
jedem Betroffenen inzwischen die Möglichkeit, eigene lyrische Produkte einer
breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und damit den Adressatenkreis
derjenigen zu erweitern, die die Lektüre eines Gedichts dazu nutzen, sich mit
dem Geschehenen auseinanderzusetzen. 3 Dabei handelt es sich bei den
Verfassern der Gedichte keineswegs nur um Augenzeugen – auch Voltaire hatte
dem Erdbeben von Lissabon ja nicht persönlich beigewohnt. Offenbar kann die
Welt durch Erdbeben so nachhaltig erschüttert werden, dass weit über die
Grenzen der betroffenen Region hinaus literarische Bewältigungsstrategien
Anwendung finden.
1 Zu jüngeren Beben in romanischsprachigen Ländern cf. insbesondere Iberoamericana 55
(2014).
2 Cf. auch Schmidt (1999), Weber (2015).
3 Die Frage nach der ästhetischen Qualität der produzierten Lyrik und letztlich damit auch
nach der Berechtigung ihrer Einordnung als ‘Literatur‘ spielt für die verfolgte Zielsetzung, die
Ermittlung von Deutungsmustern für Naturkatastrophen, keine wesentliche Rolle und soll
damit nicht weiterverfolgt werden.
Visser: Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice
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Auch wird nicht immer selbst ein lyrischer Text produziert. Die literarische
(An-)Teilnahme beschränkt sich manchmal auf ein Wiederaufgreifen bestehender
Texte, ggf. verbunden mit einer Übersetzung in die Sprache der betroffenen
Region. So wird im Kontext des Bebens in den italienischen Abruzzen (2010)
beispielsweise der Text „Il terremoto di Messina“ (1908) des Ägypters Hafiz
Ibrahim in italienischer Übersetzung gepostet. Das bereits genannte Beben in
Chile führte zu einer medialen Weiterverbreitung nicht nur des Textes von
Voltaire (1756), sondern auch von Werken José Martís (1886) und José Emilio
Pachecos (1987), mit Bezug auf Erdbeben von Charleston und Mexiko, sowie
von Pablo Neruda (1987) und Nicanor Parra (1939), die sich poetisch mit
früheren Erdbeben in Chile auseinandergesetzt hatten.
Im Zuge des Bebens im Januar 2010 in Haiti und im April 2010 in den
italienischen Abruzzen kam es zu ähnlich gelagerten poetischen Solidaritätsbekundungen
dahingehend, dass Sammelbände von Gedichten verschiedenster
Autoren zusammengestellt und online zugänglich gemacht wurden. Während
der italienische Band frei zur Verfügung gestellt wurde, war mit dem Erwerb
der haitianischen Variante die Bedingung einer – in der Höhe freiwillig zu
bestimmenden – Spende an eine in Haiti tätige Hilfsorganisation verbunden.
2011 erschien die Sammlung als Buch (Shishmanian/Torabully).
Die Analyse der beiden Gedichtbände muss auszugshaft erfolgen, weil die
Sammlungen viel zu umfangreich sind, um im Rahmen eines Artikels
abgehandelt zu werden und weil die Beschäftigung mit dem Textmaterial aus
metaphorologischer, in erster Linie kognitionslinguistischer, Perspektive die
Texte nur in Teildimensionen erfasst. Eine sehr stark synchron orientierte Sicht
auf sprachliche Bilder lässt viele Betrachtungsebenen außen vor; historische,
religiöse und kulturelle Implikationen können nur angedeutet werden.
Es sollen zunächst kurz die beiden Korpora skizziert und Anmerkungen zum
theoretischen Unterbau sowie zum Forschungsstand gemacht werden, bevor
darauf aufbauend die Analyse der sprachlichen Bilder erfolgen kann.
2. Poètes pour Haïti – I poeti italiani per l’Abbruzzo e L‘Aquila
2.1 Poètes pour Haïti
Der Gedichtband Poètes pour Haïti mit dem Untertitel „Textes nés du
tremblement haïtien sans nom“ enthält 99 in der Länge sehr unterschiedliche
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Gedichte. Diejenigen, die im Original auf Englisch oder Kreol verfasst sind,
werden auch in einer französischen Übersetzung präsentiert. Die Verfasser der
Gedichte stammen aus Haiti, aber auch aus Québec, Martinique oder den
Vereinigten Staaten. Es ist daher davon auszugehen, dass viele der
Schreibenden das Ereignis nicht selbst miterlebt haben.
Bei dem Erdbeben mit einer Stärke von 7,0, das am 12. Januar 2010 das Land
heimsuchte, kamen insgesamt ca. 230 000 Menschen ums Leben. Etwa 190 000
Häuser wurden dabei, insbesondere auch in der Hauptstadt Port-au-Prince,
zerstört. Zwei Jahre nach dem Beben waren immer noch mehr als eine halbe
Millionen Menschen obdachlos (Witte 09.01.2012).
2.2 I Poeti italiani per l’Abruzzo e l’Aquila
Der italienische Band, I poeti italiani per l’Abruzzo e l’Aquila. Luoghi d’arte e cultura.
La parola che ricostruice, umfasst 90 Gedichte auf Italienisch, die bisweilen auch
dialektale Elemente enthalten. Bereits im Untertitel deutet sich an, dass bei der
Verarbeitung des Bebens der Stärke 6,3 vom 6. April 2009 nicht die Zahl der
Todesopfer, die sich im dreistelligen Bereich bewegte (ca. 300), im Mittelpunkt
gestanden haben dürfte, sondern die Tatsache, dass dabei historische Städte
(bzw. Stätten) dem Erdboden gleichgemacht wurden:
L'Aquila - Paola Ardizzola kämpft mit den Tränen: „Ich weiß, dass es
angesichts der vielen Toten ungerecht ist, aber das Erdbeben hat
L'Aquila vernichtet, einen Juwel von Stadt, und das macht mich
unendlich traurig“, sagt die 41-jährige Architektin aus Navelli, einem
mittelalterlichen Dorf rund 40 Kilometer vom Epizentrum entfernt.
[…] (Langer 09.04.2009).
Beide Erdbeben zogen heftige Kontroversen in Bezug auf Probleme beim
Wiederaufbau der Gebiete nach sich. Zwar wurden die Gedichte so früh veröffentlicht,
dass sie diesen Kontroversen zeitlich weitgehend vorangehen.
Dennoch wird der Aspekt des Wiederaufbaus bisweilen lyrisch verarbeitet – sei
es deshalb, weil sich Schwierigkeiten bereits früh abzeichneten, oder aber, weil
aufgrund von Erfahrungen früherer Naturkatastrophen Probleme antizipierbar
erschienen.
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3. Perspektiven auf Naturkatastrophen
3.1 Definition Naturkatastrophe
Bei der Auseinandersetzung mit Naturkatastrophen ist im Blick zu behalten,
dass es sich dabei um ein soziales bzw. gesellschaftliches Konstrukt handelt.
Naturereignisse sind für sich gesehen keine Katastrophen, sofern sie nicht von
Menschen als solche wahrgenommen bzw. zu solchen gemacht werden:
the term ‘natural calamity‘/‘natural disaster‘ in the following has to
be understood […] as a process combining a potentially destructive
force perceived to have emanated from the natural environment and a
population in a socially and economically produced condition of
vulnerability, resulting in a perceived disruption of the fulfillment of
individual and collective needs (Leikam 2015: 24, Kursivsetzung i.
Orig., J.V.).
Bezogen auf ein Erdbeben bedeutet dies: „An earthquake in an uninhabited area
does not constitute a ‘disaster‘ unless a (group of) vulnerable people are
involved and put at risk” (ibid.: 25).
Während das Naturereignis an sich nach wenigen Minuten vorbei sein kann,
beispielsweise im Falle eines Erdbebens, umfasst das Konzept der
Naturkatastrophe auch die Entstehensbedingungen und Folgen:
In this manner, the entire extended period of time – from the onset of
the formation of conditions of vulnerability to the last stage of the
long-term recovery process – is included as a central part of the
disaster. Moreover, a processual understanding of natural disasters
also enables us to point the lens at the multidirectional transnational
flows that shape and are shaped by natural disasters (ibid.: 26).
Auch wenn in Italien drei Jahre nach dem Beben in den Abruzzen sieben
Wissenschaftler wegen einer falschen Vorhersage zunächst verurteilt wurden
(Spiegel Online 10.11.2014), hier also eine gewisse Berechenbarkeit von Beben
suggeriert wird, die aber in der Fachwelt kontroverse Diskussionen nach sich
zog, zeichnen sich Erdbeben im Vergleich zu anderen Naturereignissen gemeinhin
dadurch aus, dass sie sehr plötzlich auftreten; die Urteile wurden in 2.
Instanz tatsächlich auch aufgehoben (ibid.).
Erdbeben sind in ihrem Verlauf eher unsichtbar; ihr Ausmaß manifestiert sich
in den Folgen:
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Earthquakes differ from other natural disasters in their sudden
impact, unpredictability, and invisibility. While floods, hurricanes,
and to a certain extent even tornadoes tend to have a more apparent
genesis, which enables the estimation of the time and place of their
impact in advance, „there is currently no reliable way to predict the
days or months when an [earthquake] will occur in any specific
location” (Prasad 33, cf. Abbott 123, 305–53) (Leikam 2015: 27).
Menschen, die ein Erdbeben erleben, können den Moment folglich nur schlecht
im Bild fixieren. Sie können gleichwohl Fotos von den Folgen des Bebens
machen. Wollen sie Erinnerungen an das Ereignis festhalten, sind sie
gezwungen, sich ihm im Rückblick anzunähern, z.B. durch Augenzeugenberichte,
durch gemalte oder gezeichnete Bilder,4 oder auch, indem sie ihre
Erinnerung in Poesie formen.
Bei der sprachlichen Erfassung des vergangenen Erlebnisses findet eine
spezifische Perspektivierung auf besonders wahrnehmungswürdig empfundene
Aspekte statt. Die Erinnerung ist subjektiv.
3.2 Perspektivierung durch sprachliche Bilder
Eine Möglichkeit der subjektiven Annäherung an das Geschehene besteht darin,
das Erlebte mittels sprachlicher Bilder in Deutungsmuster einzuordnen. In der
vorliegenden Studie stehen diese sprachlichen Bilder, d.h. Metaphern und
Metonymien, im Fokus.
Die Metaphernanalyse erfolgt aus dem Blickwinkel der kognitiven Linguistik.
Bei der Analyse von Formen und Funktionen von Metaphern innerhalb einer
literarischen Gattung hätte auf den ersten Blick vielleicht eine klassisch rhetorische
oder textsemantische Herangehensweise nähergelegen. Es wird im
Folgenden aber gerade darum gehen, erste Antworten auf die Frage zu bekommen,
wie direkt oder indirekt Betroffene das Geschehene mental einordnen.
Die Analyse insbesondere von Metonymien verspricht Aufschlüsse darüber,
welche Aspekte der Erdbebenkatastrophe als besonders salient wahrgenommen
werden. Die Auseinandersetzung mit Textbeispielen zeigt beispielsweise
einen besonderen Fokus auf die Farben Grau und Rot und die Hand als
4 „Bilder […] sind nicht nur Beschreibungen, sondern auch Medien der Erinnerungen, mehr
noch: Instrumente der Erinnerungstherapie” (Assmann 52010: 176).
Visser: Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice
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Körperteil. Auch Metaphern haben einen Fokussierungseffekt (Jäkel 2003: 37,
Gil 1998: 89): Indem ein Bild von einer Quell- auf eine Zieldomäne übertragen
wird, findet gewöhnlich ein Prozess des highlighting und hiding statt (Lakoff/
Johnson 1980: 10ff.), d.h. bestimmte Aspekte werden ausgeblendet, andere
hervorgehoben.
Für den Produzenten eines Textes kann die Verwendung sprachlicher Bilder die
Möglichkeit bieten, sich schreibend mit der Erinnerung auseinanderzusetzen,
sie zu verbalisieren, zu verarbeiten und dem Unglück narrativ Kohärenz zu
verleihen. Metaphern können dabei als Instrument zur Begreifbarmachung von
Emotionen dienen (Schwarz-Friesel 2007: 199), weil sie dazu beitragen
das Unfaßbare sprachlich […] erfahr- und kategorisierbar zu machen.
Die sprachliche Stabilisierung geht – wenn man so will – mit einer
psychologischen Absicherung und Entängstigung (Döring 2002: 143)
einher, mit der eine soziale Wirklichkeit auf sehr kreative Weise
konstruiert, gefestigt und, falls notwendig, neu entworfen werden
kann (Döring 2005: 19).
Gerade bei Erdbeben, die von kurzer Dauer sind,5 kann das sprachliche Erfassen
des Unfassbaren eine große Bedeutung haben. Der Entwurf von Deutungsmustern
hat das Potenzial, den Betroffenen Handlungsoptionen aufzuzeigen,
„[they] provide guidance in time of perceived disorder“ (Leikam 2015: 45): Wird
das Beben als Strafe Gottes interpretiert, kann ein Leben frei von Sünde den
Weg zur Besserung darstellen. Werden das Erdbeben als Kreuzigung und der
Wiederaufbau als Auferstehung konzeptualisiert, kann das vom Unglück
betroffene Volk die Rolle eines Auserwählten einnehmen, der sich der Möglichkeit
eines Neuanfangs gewiss sein darf:
In order to adequately cope with the „crisis of agency and
orientation“, the people affected by an earthquake need to reestablish
order and make sense of their experience by embedding it
meaningfully in their outlook on the world. Besides, in the aftermath
of an earthquake (as after any other calamity), there is also a strong
psychological need to „edit reality in such a way that it seems
5 „Besides, earthquakes rarely last longer than several seconds, which renders the immediate
impact of an earthquake a highly ephemeral moment – to limited to retrieve the color palette,
to get hold of drawing paper and pencils, or to set up elaborate camera equipment“ (Leikam
2015: 49).
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manageable, [to] edit it in such a way that its perils are at least partly
masked“ (Erikson, Everything 240) (Leikam 2015: 29).
Wenn Katastrophen nicht aktiv und unmittelbar bewältigt werden können,
stellt die Kreation von Deutungsmustern zumindest eine geistige Möglichkeit
der Bewältigung und der Rückeroberung der Kontrolle über die Situation dar
(ibid.: 75): „natural disasters shatter the worldviews of the people affected,
which is why they need to weave these calamities into coherent narratives to
reestablish order and to make sens of the world around them“ (ibid.: 323).
Auch bei Personen, die keine Augenzeugen waren, kann das Schreiben über
Katastrophen eine Option sein, sich dem Geschehenen emotional anzunähern
und eigene Deutungsmuster darauf zu projizieren.
Für den Rezipienten bzw. Adressaten eines Gedichts schließlich haben
sprachliche Bilder […] die Funktion, sich mit den Gefühlen der
leidenden Bevölkerung kognitiv und emotional auseinanderzusetzen.
Wenn Erdbebengedichtbände wie bspw. im Fall von Haiti Teil
eines Spendenaufrufs darstellen, dienen sie auch dem Ziel, die
Hilfsbereitschaft […] zu erhöhen (Visser 2012: 179).
3.3 Arbeiten zum Framing von Erdbebenkatastrophen
In welchem Ausmaß Naturkatastrophen Gegenstand sprachlicher, bildlicher
oder anderer (künstlerischer) Formen der Bewältigung werden, hängt von den
humanitären, materiellen, kulturellen, sozialen und politischen Folgen des
Ereignisses ab. So hat das Erdbeben im Februar 2010 in Chile weltweit eine
andere Aufmerksamkeit erfahren, als dies für z.B. Haiti galt – vielleicht aufgrund
der Tatsache, dass die Opferzahlen weitaus geringer waren. Vor Ort galt
es deshalb trotzdem Traumata zu bewältigen. In sozialen Netzwerken wurden
unmittelbar im Anschluss Gedichte verbreitet, deren Analyse bestimmte
Konzeptualisierungen des Bebens offengelegt hat (Visser 2012), die vor dem
Hintergrund der zu leistenden Auseinandersetzung mit den haitianischen und
italienischen Quellen kurz skizziert werden sollen:
Die analysierten Texte zeigen die – naheliegende – Tendenz zur Personifizierung
des Erdbebens, bei der „der Natur die Rolle des Handlungsträgers
zugeschrieben wird“ (ibid.). Diese Rolle ist i.d.R. negativ, z.B. diejenige eines
„dem Menschen nicht wohlgesonnene[n] Gegner[s]“ (ibid.). Während die
konzeptuelle Metapher NATURKATASTROPHE IST KRIEG als konventionalisiert
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gelten darf (Döring 2005: 232), ist die Verbindung der Geräuschkulisse des
Bebens mit dem Brüllen eines Tieres tendenziell innovativ (Visser 2012: 180).
Das Beben wird vereinzelt auch aus WUTAUSBRUCH DER NATUR dargestellt
(ibid.: 182). Der Natur als Handlungsträger steht ein kollektives Chile gegenüber:
„Statt von den einzelnen Chilenen zu sprechen, erscheint stellvertretend
der Name des Landes in der Opferrolle“ (ibid.: 181). Die Bewegung der
Oberfläche wird z.B. als schäumendes Meer konzeptualisiert (ibid.: 180), was im
Falle von Chile aber auch auf den durch das Beben ausgelösten Tsunami
zurückgeführt werden könnte.
Religiöse Deutungsmuster sind bis zum Erdbeben von Lissabon und häufig
auch darüber hinaus charakteristisch für Erdbeben (cf. Breidert 1994:11), die in
den Gedichten zu Chile aber nicht dominant auftreten (Visser 2012: 182).
Seltenere Metaphern sind die des Erdbebens als GEBURT, als TANZ oder als SPIEL
(ibid.: 182f.). Auffällig, aber wenig überraschend ist auch der Einsatz von
Lichtmetaphorik und die Verwendung der Farbe Grau (ibid.: 184).
Während die bisher genannten Beispiele sich auf die Kombination von
Quellbereichen mit dem Zielbereich ERDBEBEN beziehen, 6 ist für Erdbebengedichte
durchaus auch charakteristisch, dass das Erdbeben als Ursprungsbereich
der Metapher verwendet wird (ibid.: 183). Im Fall der chilenischen
Quellen erscheinen Plünderungen als terremoto de la gente und damit gewissermaßen
als “Beben der Moral“.
Auch die bereits mehrfach zitierte kulturwissenschaftliche Arbeit von Leikam
(2015) zu San Francisco gibt Hinweise über typische Perspektivierungen und
Deutungsmuster bei Erdbeben: Erdbebenvisualisierungen fokussieren, so
Leikam, die außergewöhnlichen und angsteinflößenden Folgen des gewaltsamen
Unterbrechens täglicher Routine. Darauf aufbauend verhandeln sie die
neu zu definierende Beziehung zwischen Mensch und Gott sowie Mensch und
Natur sowie die Rolle des Menschen und seiner Interventionen in der
natürlichen Umgebung (ibid.: 82). Für San Francisco beobachtet sie eine Bildverwendung,
der gemeinsam ist, „that it enforces the binary opposition of
6 Zur Terminologie cf. Lakoff/Johnson (1980 u.ö.).
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nature and culture. All phenomena that seemed to disturb or threaten the urban
order were accordingly associated with nature“ (Leikam 2015: 261).7
Die Ruinen werden in den Bildern zu San Francisco oft als Opfer gezeichnet,
indem sie als menschliche Überreste erscheinen:
Survivors frequently linked the architectural wrecks to human bodies
(e.g. by using terms such as ‚skeleton‘, ‚head‘, ‚body‘, ‚fingers‘, etc.)
and emotionally identified with the fate of the ruined buildings,
which emerged as fellow victims of nature’s ‚wrath‘ (ibid.: 328).
Religiöses Framing spielt wie bei Chile kaum eine Rolle (ibid.: 268). Wassermetaphorik
findet dagegen Verwendung:
The most frequent point of comparison was the movement of water,
which emerged as the paradigmatic metaphor. Portrayals of the
earthquake as „angry ocean“, „wavelike motion“ or „short, choppy
waves of the sea, crisscrossed by a tide as mighty as themselves,“
causing the buildings to be „tossed like a ship at sea,“ were
widespread in eyewitness reports (ibid.: 260f.)
Auch Tiermetaphern sind belegt:
Further figures of speech drew up analogies to wild animals such as
the „buckling bronco“ (Bacigalupi) or referred to moving buildings as
„sway[ing] from south to north like a tall popular in a storm“ (Bush
qtd. in Linthicum and White 130-31) (Leikam 2015: 261).
7 Bei der Frage nach der Generalisierbarkeit dieser Beobachtungen ist zu bedenken, dass
diese binäre Opposition insbesondere charakteristisch zu sein scheint für westlich orientierte
Kulturen bzw. sogenannte Standard European Average Languages, sie aber beispielsweise für
Haiti nicht unbedingt gelten muss: „Access to nature is a hazardous business, and different
groups have tried to capture the relationship between humans and the environment in quite
different ways. These can be grouped into three pretheoretical classes of ideologies: (a)
Humans are controlled by nature; (b) humans are part of nature; and (c) humans control
nature. For each of these ideologies, particular ways of talking have developed and have
become fossilized in the lexicon and grammar of individual languages. Causative words (to
kill, to cure, to teach, to plant, to fill and many more) are dominant in languages of group (c)
which means most modern European or, as they have also been called, SAE languages, as well
as new national languages such as Indonesian that were designed to be intertranslatable with
them. In such languages, humans are the prototypical agents in structural utterances, the most
animate, ‚transitive’ beings […]. Lexical and grammatical devices to express the cause-effect
type of causativity are much less in evidence in languages where speakers subscribe to a
worldview of type (a) or (b) and animacy is not an attribute reserved for humans and useful
animals” (Brockheimer/Harré/Mühlhäusler 1999: 140).
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Vor dem Hintergrund dessen, was sich in den italienischen Gedichten zeigen
wird, ist interessant, dass Rückverweise auf den ursus californicus erfolgen: „A
similar kind of allegorical representation drew on the tradition of pictoring
California as its state animal, the grizzly bear ursus californicus“ (ibid.: 257). Eine
lokale Verankerung der „disaster rhetoric of resilience and rise“ (ibid.: 258)
findet ihren Ausdruck darin, dass Bezüge zur Besiedlung des Westens gezogen
werden:
Since this narrative of the clash between settlers and wilderness is one
of heroism and triumph and functions as a „metaphor for promise,
progress, and ingenuity“ (Wrobel qtd. in Limerick 68), the adaptation
of this trope to the San Francisco Earthquake and Fire of 1906 equally
provides a positive framing predicting a successfull overcoming of
the earthquake hardship, ultimately with benefits for the sons and
daughters of the pioneers. Besides, the analogy between San Francisco
and the frontier further linked the former outpost in the Far West
firmly to core national ideologies of the United States (ibid.: 330).
Erdbebenframes werden im Kontext des Bebens von San Francisco dazu
instrumentalisiert, die Einheit des Volkes zu beschwören (ibid.: 120) – wie schon
im Fall von Chile steht das kollektive Erleben der Katastrophe im Vordergrund
(ibid.: 196): Vereint erscheint ein Wiederaufbau möglich. In diesem Zusammenhang
gilt es, die identitäre Anbindung der Bewohner an ihre Stadt zu verstärken
– manche Gebäude verkörpern ihre Bewohner (ibid.: 155) -, aber auch aus der
gemeinsamen Geschichte Kraft zu ziehen und das historische Narrativ im
Rückblick ggf. sogar zu legitimieren.
Wird das Framing dazu instrumentalisiert, klassen- und rassenbasierende
Diskriminierung zu legitimieren und zu perpetuieren (ibid.: 117) oder aber die
Katastrophe als „social equalizer“ positiv zu konnotieren (ibid.: 274), geht die
Funktion des ‘In Bilder Fassens‘ über den moralischen Wiederaufbau hinaus.
4. Deutungsmuster in I poeti italiani per l’Abruzzo e l’Aquila Luoghi
d’arte e cultura – La parola che ricostruice
Die Beobachtungen aus Visser (2012) und Leikam (2015) sollen nun durch die
Analyse der beiden Gedichtbände ausgebaut, vertieft oder ggf. in Frage gestellt
werden.
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142
Am 6. April des Jahres, um 3:32 morgens und wenige Tage vor Ostern zerstörte
ein Erdbeben „la quasi totalità dell’immenso patrimonio storico, artistico e
culturale dell'Aquila“ (Città dell’Aquila o.J.). Die Katastrophe und die damit
verbundenen Opfer, so heißt es in der Einleitung zum Gedichtband I poeti
italiani per l’Abruzzo e l’Aquila Luoghi d’arte e cultura, hätten die Bewohner der
Region ‘erschüttert‘. Im kollektiven Gedächtnis habe sich eine tiefe Wunde
aufgetan. Aber die Dichter gäben sich den Naturereignissen nicht geschlagen:
Le ultime drammatiche vicissitudini che hanno colpito l’intero
Abruzzo e in particular modo la città dell’Aquila, distrutta nei
monumenti più belli e storici dal terremoto, hanno scosso le coscienze
degli Abruzzesi e degli italani tutti per le vite perdute sotto le macerie.
Nella memoria collettiva si è aperta una profonda ferita ma il popolo
dei poeti sente una viva energia che li spinge a non arrendersi agli
eventi naturali e all’incuria degli uomini, attraverso la poesia e la
creatività (ibid.).
Das Zitat macht deutlich, dass auch hier das Beben und seine Folgen nicht nur
Zieldomänen für metaphorische Projektionen sind, sondern ebenso als
Quelldomänen fungieren – insbesondere verkörpert durch das Lexem scosso
“erschüttert“.
Das Naturereignis erscheint als Feind, gegen den es mit Poesie zu kämpfen gilt;
die konzeptuelle Metapher NATURKATASTROPHEN SIND KRIEG findet folglich
Anwendung:
nel promuover idealmente la ricostruzione dell’Abruzzo e in
particolar modo dell’Aquila: vuole che la città e il territorio rivivano
nella loro memoria storica e artistica e nei loro importanti monumenti
conosciuti e apprezzati in tutto il mondo […] (ibid.).
Der Wiederaufbau geht dabei über die Ebene der reinen Rekonstruktion der
Häuser hinaus; es geht um die – letztlich materiell ja nur bedingt zu leistende –
Wiederbemächtigung des kulturellen Gedächtnisses: Die Bewohner von
L’Aquila sind durch das Erdbeben ihrer Erinnerungsorte (Nora 1990) beraubt
worden.
4.1 Lärm, Stille und Staub als saliente Merkmale des Erdbebens
Texte zu Erdbeben zeichnen sich oft durch einen Gegensatz von Lärm und Stille
aus. Lärm verkörpert metonymisch das Beben selbst und wird häufig als
Dröhnen, Donnern oder Gebrüll versprachlicht:
Visser: Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice
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Daniela Bruni Curzi spricht in ihrem Gedicht E sia così per te (popolo abruzzese),
von einem ‘schrecklichen‘, ‘zerstörerischen‘ “Dröhnen“: […] all’arrivo del boato
distruttore/[…]/ad annunciar un terribile boato./[…]. Vito Moretti (L’Aquila 6 aprile
2009) versprachlicht das Geräusch des Bebens als “vom Grund, aus der Hölle
kommendes Brüllen“, verbindet es also mit einer religiösen Deutung: Il tuo
ospite siede nel silenzio/della tua casa dove ha ruggito dal fondo/del suo inferno.
Die Stille ist das dominante Element des DANACH. Sie und die damit verbundene
Sprachlosigkeit stehen dafür, dass etwas nicht bzw. nicht mehr da ist, was
die Identität des Ortes und seiner Bewohner ausgemacht hat; die Wiederbemächtigung
der Sprache stellt einen wichtigen Schritt in Richtung Aufbau dar.
Claudia Iandolo betont die Abwesenheit von Stimmen und Glockengeläut;
Letzteres könnte auf ein Verlassensein von Gott Bezug nehmen: Ma sono le voci
che cerchi. Le voci./E quelle sono andate via./[…]/Non più rintocchi di campane./[…]/
Cammino sulle macerie/cercando ricordi. Die Zeile cercando ricordi deutet auf den
mit Erdbeben verbundenen Erinnerungsverlust hin.
Auch Rosanna Di Iorio (6 aprile 2009) betont das Nicht-Läuten der Glocken (non
suono di campana), aber auch das Fehlen von Kindergesängen (non canto d’un
bimbo); der Auszug E prendo la mia terra nella mano,/calpesto la sua nebbia, ne
raccolgo,/le parole perdute könnte als Hinweis interpretiert werden, dass der
Sprach- und Erinnerungsverlust in gewisser Weise reparabel ist.
Brunella Bruschi (Terremoti) kontrastiert das “Getöse des Erdstoßes“ (il fragore
della scossa) mit der “Stille des Staubs“ (il silenzio di polvere). Staub steht metonymisch
für die Zerstörung; er ist offenbar ein so präsentes Element nach dem
Beben, dass er zahlreiche Situationsbeschreibungen dominiert.
Ornella Calvarese bringt die Stille in Verbindung mit dem Verlassensein der
Stadt (silenzio di città abbandonata).
Im Gedicht von Marco Tabellione stehen die “stillen Stimmen“ (Le loro voci
silenziosi/respirare quell’ultimo respiro) metonymisch für Tod. Giulia Basile
bedient sich einer ‘synästhetischen‘ Metapher (Vogt 2013), wenn sie die Augen
als stumm darstellt, hier also offenbar Bezug nimmt auf die im Angesicht des
Todes mit Sprachlosigkeit verbundene Hoffnungslosigkeit, die sich in den
Augen widerspiegeln kann: C’erano i tuoi occhi/muti/offesi dalla violenza,/tra mille
bare. Auch Daniele Cavicchia hebt Sprachlosigkeit als Folge des Erlebten hervor:
Lei aspetta e non ha voce,/nessuno ha risposto nel silenzio imperfetto./[…]/Dei nomi
sono rimasti, suoni duri/di parole senza colpa, parole/inconsapevoli della loro morte. Bei
metaphorik.de 31/2020
144
Antonella di Bartolomeo (Terre in moto) steht die “Stille eines Zeltes“ (Nel silenzio
di una tenda) für die nach dem Beben errichteten Zeltstädte, die oft in Erdbebengedichten
vorkommen und symbolisch auf das Leben danach referieren.
Die Erinnerungen, derer es habhaft zu werden gilt, sind aber nicht unwiderruflich
verloren, sondern ‘klammern sich noch an die Haare‘ (pensieri, speranze
e ricordi/aggrappati ai capelli).
4.2 WÖRTER SIND BAUMATERIAL
Der Stille und Sprachlosigkeit kann aber offenbar mit Worten begegnet werden.
Wie schon im Untertitel des Bandes angedeutet (La parola che ricostruice), wird
das ‘Darüber Sprechen‘ als Mittel des Wiederaufbaus konzeptualisiert. Um die
Sprach- und Erinnerungslosigkeit zu beheben, schlägt Francesco Belluomino in
seinem Gedicht vor zuzuhören: Ma forse basta tendere l’orecchio/ascoltare la gente
risoluta/le grida nel giocoso dei bambini,/per scorgere speranze nel domani./[…]/ma
come prestar voce tra le tante/se non tessendo labili parole/dall’ultimo scalino della
piazza. Der Dichter wird als ‘Sprachrohr‘ der Betroffenen gezeichnet, er hilft
also, die Sprachlosigkeit zu überwinden.
4.3 (Erfolgter) WIEDERAUFBAU IST WIEDERAUFERSTEHUNG
Der wiederholte Verweis auf das Fehlen von Glockengeläut legt die Vermutung
nahe, dass auch das Beben in den Abruzzen aus einer religiösen Perspektive
betrachtet wird. Deutungsmuster, die das Beben als Strafe Gottes interpretieren,
spielen aber keine dominante Rolle. Zwar versprachlicht Danilo Susi (Abruzzo)
das Beben als Strafe, aber nicht in Hinblick auf einen göttlichen Agens. Stattdessen
seien es die Berge, deren Herz gebebt habe, aber nicht aus bösem Willen,
sondern weil sie zu viel menschliches Versagen gesehen hätten: Il tuo monte si è
ribellato/e ha distrutto./Dalla sua vetta il Grande Sasso/Aveva già visto…/tanto…
troppo…/disfatte e uomini di malaffare.
Religiöse Frames finden stattdessen in Bezug auf den Wiederaufbau
Verwendung, der oft als WIEDERAUFERSTEHUNG konzeptualisiert wird. Die
Dominanz dieses Deutungsmusters ist vermutlich auch darauf zurückzuführen,
dass das Beben wenige Tage vor Ostern stattfand. Analogien zur
Passion Christi drängen sich aufgrund dieser zeitlichen Koinzidenz geradezu
auf und werden beispielweise bei Luciano Luisi versprachlicht: E Dio dov’è?/
Perché non è venuto/a camminare Gesù su questa povera/terra, su queste pietre
Visser: Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice
145
insanguinate,/a chiamarli: “Fratelli, risorgete!”?/Sono tutti fratelli come Lazzaro. […]/
[…] Sono questi/davvero i giorni della Passione. E Cristo/è qui, a fare specchio/ della
sua morte a questi morti innocenti.
Dementsprechend gibt es viele Texte bzw. Textstellen, in denen Lexeme aus
dem Feld rinascita Verwendung finden, z.B. bei Plinio Perilli (Resurrectio dal
buio): È Pasqua di rinascita, resurrectio dal buio/[…] oder Gladys Basagoitia Dazza
(Rinascita): risorgere dall’abisso del dolore.
4.4 (Prozess des) WIEDERAUFBAU(s) IST PFLANZENWACHSTUM
Der Wiederaufbau L’Aquilas wird außerdem verglichen mit dem Wachstum
von Pflanzen. Diese Deutung hebt hervor, dass es sich um einen naheliegenden,
natürlichen Vorgang handelt, der unweigerlich eintreffen wird. So kündigt
Enrico Macioci an, aus den offenen Wunden (alle piaghe/aperte) eine Blume
gepflückt (ho colto un fiore) und sie der Zukunft eingepflanzt zu haben (l’ho
pinatato/nel future). Diese Blume wiederum soll – hier greift der Autor auf Lichtmetaphorik
zurück – Licht in das durch das Erdbeben verursachte Dunkel – hier
vermutlich auch metaphorisch als Unglück zu interpretieren – zu bringen.
Vito Moretti (L’Aquila 6 aprile 2009) bezeichnet die in den Trümmern eines
Hauses übrig gebliebenen Geranien als das Versprechen einer Zukunft: Nella
tua casa straziata/ho visto ancora dei gerani/al balcone e una rinata promessa/di futuro.
Mara Seccia (Mani) kündigt das Blühen von Ginster an (fioriranno le ginestre),
fordert dazu auf, den Weg mit ‘duftenden Zweige‘ zu füllen (getta rami odorosi/
nel camino della tuo casa) und aus dem Pflanzenwachstum Hoffnung zu schöpfen
(e nell’angolo più segreto del cuore,/timido e lieve/rivivrà un sogno già sognato/[…]).
Anna Ventura (Come un albero nero) projiziert auf den Neubeginn das Bild eines
blattlosen Baumes, der im Frühling zu neuem Leben erwacht: Dall'albero nero, a
primavera,/nascono foglie nuove; in breve/la sua chioma sarà piena e verde,/mossa dal
vento, abitata dai nidi./Che ognuno di noi sia/come un albero nero a primavera.
4.5 DIE STADT L‘AQUILA IST EIN (MAJESTÄTISCHER) VOGEL
Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass beim Framing des Bebens von
San Francisco Bezüge zum Bären als Wappentier etabliert wurden, erscheint
aufschlussreich, dass mehrere Gedichte mit dem Wappentier L’Aquilas, dem
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146
Adler, spielen bzw. den Ortsnamen remotivieren. Zwar wird in der etymologischen
Forschung auch diskutiert, dass der Ursprung des Namens mit der
lateinischen Wortfamilie aqua zusammenhängen könnte, der Bezug zum Adler
ist aber aus synchroner Perspektive vermutlich dominierend:
La denominazione aquila è un traslato dallo zoonimo, con riferimento
alla posizione sopraelevata su un colle dell’insediamento originario.
Il nome è stato conservato alla nuova fondazione anche perché di
buon auspicio per le vittoriose imprese della Casa di Svevia (cfr.
Giustiniani 1797-1805, I, 232). Ma in Alessio-De Giovanni 1983, 38 si
legge che un calabrese Aquila (nome di acque) como l’abruzzese
L’Aquila (la città?) continua il latino aquola, diminutivo di aqua. (Gasca
Queirazza 1990: s.v.).
Das anschaulichste Beispiel für die Remotivierung des Toponomastikums
stammt von Maria Antonietta Perfetto (A L’Aquila, mia cara città): Son venuta a
cercarti nel nido ormai distrutto, ma non c’eri./Ho scavato tra le rovine, tra i sassi, ti ho
chiamato, ma non c’eri./L’Aquila, regina delle alte cime, ha spiccato il volo per altri nidi,
per altre vette. Sie personifiziert die zerstörte Stadt und hebt so bestimmte
Aspekte des Erdbebens hervor: hier insbesondere den Verlust an majestätischem
Rang.
Der Stadt wird auch in anderen Gedichten ein erhabenes Auftreten zugesprochen,
im Text von Eunigea D’Alfonso (L'Aquila 6 Aprile 2009 ore 3,32) aber
dahingehend, dass die mit ihrem Status verbundene Stärke einen Wiederaufbau
möglich mache:
Inerpicata sul declivio di un monte/s’erge gloriosa, altera/la città
dell’Aquila/[…]/Superba ella troneggia tra stendardi antichi/[…]/
Nel suo passato tanti sismi l’hanno colpita/ma sempre ella è risorta
tenace e prode./[…]/Il sisma nuovamente di notte l’ha reaggiunta/il
6 Aprile del 2009./Il tempo passa, il dolore assopito resta/ma è
sempre vivo, risorgente/[…]./L’Aquila […]/ritornerà vivente più di
prima,/impererà sublime tra le montagne/[…].
In dem Text L’Aquila 6-4-2009 von Rita D’Emilio wird das Bild des Vogels
gekoppelt an das Motiv des ‘Phönix aus der Asche‘: A te nuova Araba Fenice/dalle
nobili ali,/che spicchi dai massicci erbosi/città dove l’acqua sgorga da innumerevoli
sorgenti, auch hier in der Absicht, die Möglichkeit des Wiederaufbaus zu
untermauern und den Lesenden damit Mut zuzusprechen.
Visser: Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice
147
4.6 ERDBEBEN IST TANZ
Die bereits in Bezug auf Chile identifizierte konzeptuelle Metapher ERDBEBEN
IST TANZ findet sich auch im italienischen Korpus, allerdings wird das Bild des
Tanzes fokussiert auf die sich bewegenden Häuser, bei Luigi Sgambati zu einem
orgienartigen Gelage: Balla la casa, pazza, e si disvela,/orgia di squarci nudi,/baccanale.
4.7 Erdbeben als Quelldomäne
Auch die italienischen Gedichte enthalten Belege dafür, dass das Konzept
BEBEN als Quelldomäne für metaphorische Projektionen verwendet wird.
Insbesondere das Verb tremare tritt auf, um sich auf die emotionalen Folgen des
Bebens zu beziehen: Lei siede immobile come il dolore./Ciò che vede sono macerie, ciò
che resta/è quello che trema nelle sue vene (Daniele Cavicchia). Oft ist es das Herz,
das als ‘zitternd‘ dargestellt wird (Qui dove il cuore trema, Cristina Mosca).
Im bereits thematisierten Gedicht von Susi (Abruzzo, Kap. 4.2) bezieht sich das
Zittern des Herzens aber auf die von menschlichem Fehlverhalten verursachte
Erregung der Berge, die zum Erbeben führt: Il tuo cuore ha tremato/E si è distrutto.
Mara Seccia hebt die Erschütterung der Menschen hervor, indem sie das Bild
zitternder Hände evoziert: Mani forti sicure afferrarono/le tue tremanti tese verso la
luce.
Die Zerstörung der Stadt, die vom Beben in ihre Einzelteile zerlegt wird, wird
von Elio Talon projiziert auf das, was der emotionale Schmerz mit der eigenen
Persönlichkeit macht: È così che fa il dolore/rompe in pezzettini piccoli/che non si
rimettono insieme.
Bei den Deutungsmustern, die in Bezug auf L’Aquila analysiert wurden, handelt
es sich, wie eingangs angemerkt, nur um einen Auszug. Neben den aufgeführten
Konzepten findet sich auch Meeres- oder Familienmetaphorik (z.B.
ERDE IST MUTTER, BERGE SIND VATER). Auffällig ist aber im Gesamtkorpus die
Bedeutung, die der Zerstörung von Kulturgut beigemessen wird. Deutlich wird
auch, z.B. in Bezug auf den Ortsnamen und die Position des Ortes sowie die
Passionsgeschichte, dass die Deutungsmuster regional, temporal und historisch
verankert sind.
metaphorik.de 31/2020
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5. Deutungsmuster in Poètes pour Haïti
Die in der Einleitung zum Gedichtband von Haiti verwendeten sprachlichen
Bilder unterscheiden sich manchmal nicht, manchmal aber durchaus deutlich
von denjenigen zu L’Aquila.
Der Poesie wird auch hier die Kraft der Rekonstruktion von Erinnerung, der
Verbalisierung des nicht Verbalisierbaren zugesprochen:
Que peuvent les poètes? Certes écrire. Dire l’innommable. L’insondable
souffrance. Partager ce cri intérieur, l’ouvrir au monde pour
qu’il soit l’acte de solidarité espéré. Puisque l’internet nous le permet,
nous passons de la douleur en mémoire, de la souffrance en espoir.
Une chaîne de mots solidaires naît peu à peu… Et debout avec les
Haïtiens, […]. Car il n’y a pas d’écriture sans l’humain, sans ce sens
fondamental de lire avec l’autre, en l’autre, d’écrire et de partager le
peu de substance qui nous lie, qui nous relie au poème frissonnant du
monde, le seul qui vaille: la fraternelle poésie (Shishmanian/
Torabully/Ray 2011: 7).
Die Gedichte werden als “Kette solidarischer Wörter“ dargestellt, als “Teilen
des inneren Schreis“, als Möglichkeit, Schmerz in Erinnerung zu transformieren.
Die Textstelle poème frissonnant du monde zeigt, dass auch hier eine
Verwendung des Konzeptbereichs ERDBEBEN als Quelldomäne belegt ist.
Ebenfalls zentral für das haitianische Korpus ist die Aufforderung Et debout avec
les Haïtiens. Während in L’Aquila das Konzept der AUFERSTEHUNG besonders
präsent ist, erfolgt die moralische Unterstützung der Bewohner des karibischen
Landes unter Anlehnung an die Orientierungsmetapher GUT IST OBEN (Lakoff/
Johnson 1980). Sich innerlich aufraffen und im übertragenen Sinne wieder
aufrecht hinstellen wird gleichgesetzt mit der Option auf einen positiven
Neuanfang. Ein möglicher Grund für die Dominanz dieser Metapher könnte,
wie noch zu zeigen sein wird, in der Sklavengeschichte liegen.
Auch andere Elemente der Einleitung untermauern die bisherigen Beobachtungen
und zeigen weitere typische metaphorische Konzepte auf:
Des blessés, par centaines de milliers. Un pays au coeur des ténèbres?
Le monde voit en direct des regards tremblants devant la béance qui
s’est ouverte à Haïti. Le monde a bougé sur son socle. L’île saccagée a
fait de nous tous des humains meurtris.
[…] tant de souffrances sur la peau d’un peuple déjà nu. […]
Visser: Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice
149
[…] cette île dont nous sommes tous les enfants jetés sur les routes de
la douleur et de l’espoir sans cesse recommencés (Shishmanian/
Torabully/Ray 2011: 7).
Der Zustand in Haiti wird als ‘Dunkelheit‘ dargestellt, es findet also Lichtmetaphorik
Verwendung. Nicht nur die Gedichte ‘beben‘, auch die Blicke
‘zittern‘. Die Betroffenen erscheinen als ‘nackt‘. Die Metapher der Nacktheit ist
auch in italienischen Gedichten und in zahlreichen weiteren haitianischen
Beispielen belegt.
5.1 Lärm und Stille als saliente Merkmale des Erdbebens
Sowohl der Lärm des Bebens als auch die sich daran anschließende Stille sowie
die Sprachlosigkeit der Betroffenen sind auch Gegenstand vieler haitianischer
Gedichte. So betitelt Marlyne Delin ihr Werk mit Il se fit un silence und führt aus:
Les mots ont semblé rétrécis…/Les poésies se sont enfuies !/Les mélodies sont devenues
muettes./Plus rien, rien, rien,/Pour exprimer innommable souffrance… (Shishmanian/
Torabully 2011: 73). Das Gedicht À Haïti (Marie Cholette) bescheinigt
einen Erinnerungs- und Sprachverlust: Par quelles béances dans le sol/Avons-nous
perdu la parole/Par quels effondrements les mots/Ont-ils soudain perdu l’âme de
leur/Significations/Pris que nous sommes Haïti/À ravaler jusqu’au silence même/
Devant tes livres tes bibliothèques disparus (Shishmanian/Torabully 2011: 61). In
den Zeilen Par quels effondrements les mots/Ont-ils soudain perdu l’âme de leurs/
Significations (ibid.) fungieren das Erdbeben und seine unmittelbaren Folgen
wieder als Quelldomäne.
Die vom Erdbeben verursachte Geräuschkulisse ist in den haitianischen
Gedichten weniger präsent als in den italienischen. Der Text Ainsi grondaient
(Jean Gedeon) verbildlicht das akustische Erleben als ‘Grollen unterirdischer
Orgeln‘ (ainsi grondaient les grandes orgues souterraines) (Shishmanian/Torabully
2011: 88).
5.2 WÖRTER (der Solidarität) SIND WAFFEN
Der Wiederaufbau Haitis wird eher als Kampf konzeptualisiert statt als
‘Pflanzenwachstum‘. WÖRTER erscheinen damit als WAFFEN. Dieses Deutungsmuster
wird verwoben mit der Kolonialgeschichte Haitis. In zahlreichen
Gedichten ist nicht die Natur der zu bekämpfende Gegner, sondern eher die
ehemaligen Kolonialmächte. In der Elégie pour Haïti (Sedley Richard Assonne)
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150
wird ihm mangelnde Empathie, versprachlicht als ‘Mauer des Schweigens‘,
vorgeworfen. Der Anführer der haitianischen Revolution, Toussaint Louverture,
fungiert als Metonymie für soziale Ungerechtigkeit:
[…]/Toussaint Louverture n’est plus qu’un nom/mais il irrigue
encore ma conscience d’homme libre/et je sais que je lui dois tout/et
que la souffrance de son peuple est aussi la mienne./Dans les
décombres hideux de l’Occident/j’ai vainement cherché un peu de
réconfort/mais leurs hautes tours menacent de s’effondrer/pour
mieux enterrer mes cris de colère./Mais armé de ma solidarité/
j’avance envers et contre tout/pour arriver jusqu’en terre d’Haïti,/la
terre primale de la révolte noire./Haïti blessée, parce que saignée à
blanc.../les mots peuvent donner un poème/un hurlement qui
s’entendra au-delà/des murs d’indifférence. […] (Shishmanian/
Torabully 2011: 13).
Auch Patricia Laranco (Haïti) betrachtet WÖRTER ALS WAFFEN im Kampf gegen
die Gleichgültigkeit der Welt dem haitianischen Schicksal gegenüber:
Nous qui n’avons, c’est vrai, pour armes que nos mots,/que nos
incantations,/appelons/les tambours/afin qu’ils viennent battre de
plus en plus fort/avec elles et réveillent/l’inertie du monde !/Haïti la
meurtrie/envers et contre tout/je veux pour toi convoquer par mes
mots l’espoir (Shishmanian/Torabully 2011: 116).
In En îles d’infortunes (Xavier Lainé) wird der Dichter zum Ankläger, „qui dit ce
que tout le monde sait“ (Shishmanian/Torabully 2011: 115); er vertritt die
Nachkommen der Sklaven, auf die hier metonymisch als “unter der Peitsche
gekrümmte Rücken“ Bezug genommen wird. Die échines courbées stehen wiederum
in Kontrast zu Haïti debout:
Il faut qu’Haïti meure pour que l’avis d’un poète se dise./[…]/Que
reste-t-il sinon la poésie comme un chant, repris de gorges en
gorges ?/Un chant, lente psalmodie rimée sur pas d’humaine
défroque…/Elle seule accompagnait le rythme douloureux des
pieds./Elle fut l’ultime protection divine aux échines courbées sous le
fouet./Récompense que cette voix qui s’élève au midi de nos confortables
demeures./Un poète parle qui dit ce que tout le monde
sait./Qui dit la misère endémique et le désespoir quotidien./Qui dit
sans accuser la complicité tacite, dans la mort qui rode (ibid.).
Die konzeptuelle Metapher WÖRTER SIND WAFFEN charakterisiert demnach
viele haitianische Erdbebengedichte, während in L’Aquila WÖRTER eher WERKZEUGE
DES WIEDERAUFBAUS gedeutet werden.
Visser: Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice
151
Die Fähigkeit der Sprache, in irgendeiner Form zur Verbesserung der Situation
in Haiti beizutragen, wird im Gedicht Haïti noir (Jean-Luc Maxence) aber auch
angezweifelt (Les poètes devraient pour une fois se taire/Discrètement/Il est des
factures qui ne se payent pas de mots), das gleichzeitig religiöse Deutungsmuster
bemüht (Haïti après la colère du ciel; La cathédrale s’est écroulée/Sur l’archevêque
introuvable), und die Lage nach dem Beben mit einem AUSVERKAUF in Verbindung
bringt (Mais l’espérance à vendre/Demain s’en ira au rebut/Et l’on soldera les
croix/Pour reconstruire les écoles) (Shishmanian/Torabully 2011: 132).
Der Text Vers salut (Charlito Louissaint) schließlich zeigt, dass trotz des
‘Selbstmords der Poesie‘ (Suicide de la Poésie) in Anbetracht des Geschehenen
das Schreiben als Mittel des Überlebens betrachtet wird: J’écris quand même/Pour
survivre/Je lâche mes vers/Dans la grande fosse/Pour saluer ceux qui partent/Ceux qui
attendent le prochain train/Ceux qui ont enterré tout souvenir (Shishmanian/
Torabully 2011: 125).
Für das haitianische Korpus durchaus charakteristisch ist die Tatsache, dass
Gesang die Funktion der paroles übernehmen kann, wie schon der Titel des
Gedichts Un chant de coeur pour Haïti (Ali Khadaoui) deutlich macht: Un chant de
coeur contre la fureur des éléments/[…]/Chantons la vie chantons la mort (Shishmanian/
Torabully 2011: 105).
5.3 HAÏTI IST DIE MUTTER
Wie schon die Beobachtungen zu Chile und L’Aquila gezeigt haben, sind
Personifizierungen in Texten über Naturkatastrophen an der Tagesordnung.
Die Natur wird personifiziert, um sie als ‘Gegner‘ fassen zu können. Bei Erdbebentexten
ist zu beobachten, dass die zerstörten Städte und Länder ebenfalls
eine Personifizierung erfahren. Während in L’Aquila, unter Rückgriff auf das
Toponomastikum, das Bild des Adlers bemüht wird, erscheint Haïti als
MUTTER. So beginnt Joël Conte sein Gedicht Haïti meurtrie mit den Zeilen
Haïti,/Tes rues désertes/Sont pavées de morts./Haïti,/Tu déplores la perte/De ton enfant
qui dort. (Shishmanian/Torabully 2011: 65). Das vom Beben erschütterte Land
‘beweint’ den Tod seiner Bewohner, die hier als Kinder konzeptualisiert
werden. Die Fähigkeit zur Wiederauferstehung (Demain tu renaîtras, ibid.)
verknüpft die Personifizierung mit einem religiösen Deutungsmuster.
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Marie Cholette (À Haïti) projiziert auf das Land das Bild eines konkreten
Körpers. Haiti ‘krempelt die Ärmel hoch‘ (Tes manches déjà se retroussent,
Shishmanian/Torabully 2011: 63), um den Wiederaufbau anzugehen. Ziel ist es,
Haiti wieder ‘aufrecht‘ zu stellen (Et te remettent debout, ibid.); auch hier ist
demnach die konzeptuelle Metapher GUT IST OBEN präsent.
Das Verb grelotter (Haïti tu grelottes d’effroi) in À Haïti (Marie Cholette;
Shishmanian/Torabully 2011: 62) unterstützt die Beobachtung, dass das
Konzept ERDBEBEN als Quelldomäne Verwendung findet.
Die Konzeptualisierung Haitis als weibliche Person und Mutter zeigt sich auch
in anderen Gedichten sehr deutlich, z.B. in Haïti la belle (Catherine Boudet):
Je regarde Haïti la belle secouer d’un rire ardent les masses humaines
accrochées à/son flanc/Je regarde Haïti la belle écraser ses enfants
dans une gésine terrifiante/Je regarde Haïti la belle secouer encore ses
chaînes sous le joug des nations/Je regarde Haïti la belle se dresser
nue, écorchée et rebelle au milieu de la nuit/Je regarde Haïti la belle
grouillant de mille vies et de mille courages/Je regarde Haïti la belle
le poing dressé vers le ciel au milieu des décombres et/secouant ses
bracelets (Shishmanian/Torabully 2011: 41).
5.4 Haïti debout – GUT IST OBEN
Die Bewohner Haitis werden, wie bei einigen Beispielen bereits gezeigt werden
konnte, dazu aufgefordert, sich wiederaufzurichten: Mais dans ce champ de
ruines/où s’empilent/corps et maigres biens,/dans ce champ de gravats/où rôdent les
chiens,/qu’une vie renaisse/et ce peuple démembré/se dresse, digne et fier, et pousse au
ciel/son chant d’espoir/déchirant (Haïti, Laurent Chaineux; (Shishmanian/Torabully
2011: 58).
In dem die kreolische Bezeichnung des Landes verwendenden Textes Debout
Ayiti (Cikuru Batumike) werden die Konzepte AUFRECHT und NIEDERGEDRÜCKT,
wie schon an anderer Stelle beobachtet, mit Sklaverei in Verbindung
gebracht:
Paradis souillé par la brutalité de l’esclavage/Chair mutilée par
l’aveugle servage/Haïti des côtes raidies par l'inusable arrogance/
Haïti des paris piétinés par le mépris de la charité/Haïti du mépris du
colon prédateur/Colonnes piégées, blessées, brisées/[…] Dans la cadence
infernale de la désespérance/Résiste, fais-toi violence, revis/
Haïti, réveille-toi, vis et revis (Shishmanian/Torabully 2011: 19f.).
Visser: Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice
153
Das Gegenteil von debout stellt courber le dos “den Rücken krümmen“ dar, das
im Gedicht Mantra des Affranchis (Patricia Grange) “Mantra der Freigelassenen“
Erwähnung findet (Shishmanian/Torabully 2011: 97).8 Aufrecht stehen bzw.
sich wieder aufrecht hinstellen bedeutet damit nicht nur, den Wiederaufbau
Haitis in Angriff zu nehmen, sondern ist die Gegenreaktion zu Sklaverei und
Unterdrückung durch westliche Kolonisatoren. Das Gedicht ist eines der vielen
Beispiele dafür, wie sich verschiedene Deutungsmuster, auch religiöse, überlagern,
aber auch dafür, dass die Perspektivierung mit der Geschichte unmittelbar
verwoben ist:
Ne plus courber le dos sous la colère des Dieux !/Faire resplendir un
ardent désir de prospérité !/Enflammer l’espoir et faire briller de
l’avenir le feu !/Briser les chaînes de la fatalité !/Refuser d’être
esclaves d’un monde immuable !/Dénouer l’entrave d’une soi-disant
destinée !/Fervents héritiers de Toussaint le vénérable ! (ibid.).
5.5 Religiöse Deutungsmuster
Religiöse Deutungsmuster sind im Korpus frequent. Auch in Haiti treffen wir,
trotz fehlender zeitlicher Koinzidenz, und auch nur vereinzelt, auf das Bild der
Kreuzigung (Crucifié le petit peuple des marchés), im Gedicht Haïti 2010 (François
Brouers) verbunden mit dem der Steinigung. Dabei verweist die Nennung des
Namens Spartacus auf den Kontext der Sklaverei (Lapidés les enfants des enfants
des enfants de Spartacus) (Shishmanian/Torabully 2011: 45).
Es zeigt sich abermals, dass die Verfasser der Gedichte einige Deutungsmuster
auch aus der Kolonialgeschichte Haitis schöpfen.
5.6 DAS SCHICKSAL HAITIS IST SCHIFFBRUCH
Das Bild eines sich ständig wiederholenden Schiffbruchs zeigt sich z.B. im
Gedicht Complaintes pour Haïti (Yves-Patrick Augustin): Nous sommes des
naufragés/Titubant dans le jour, sans savoir la destination/De nos errements sans fin.
(Shishmanian/Torabully 2011: 16).
8 Cf. auch die oben zitierten „echines courbées“.
metaphorik.de 31/2020
154
5.7 ERDBEBEN IST TANZ
Tanz ist als Konzept im haitianischen Korpus stärker präsent als im
italienischen (cf. auch Dillmann 2010). Das Erdbeben wird beispielsweise als
“subkutaner Tanz“ charakterisiert – damit wird die Erde gleichzeitig als Körper
mit Haut dargestellt:
une danse sous-cutanée/s’est soudainement extasiée/et Haïti s’est
effondré/[…]/De nouveau/battue au rythme/d’une secousse tellurique/
l’île maracas/n’a plus de mélodiques/que ses chants, cris,
lamentations/égarés dans la cohue chaotique (12 janvier 2010, Diane
Labbé Dubois; Shishmanian/Torabully 2011: 107ff.).
In Complainte pour Haïti (Yves-Patrick Augustin) erinnert der ‘hysterische Tanz
der Erde‘ an die Tanzmetaphorik des Textbeispieles zu L’Aquila: Trois cent
petites étoiles/Comment oublierai-je ce soir de janvier/Où la terre exécuta sous nos pieds
sa danse/Hystérique et sanglante? (Shishmanian/Torabully 2011: 17).
Das Orgienhafte steht auch bei dem Text Il y une tectonique des plaques (Julienne
Salvat) im Fokus: Danse du ventre au soleil de la terre maternelle/Bacchanale des dieux
souterrains paternels/Leur progéniture déchiquetée pour un banquet d’apocalypse.
5.8 Erdbeben als Quelldomäne
Beispiele dafür, dass das Erdbeben bei metaphorischen Projektionen als
Quelldomäne fungiert, sind im haitianischen Korpus zahlreich. Isabelle
Lévêsque (Et si clémence) überträgt das Beben auf das Herz: Trop tremble le coeur
en son noyau (Shishmanian/Torabully 2011: 121). In Le tremblement (Benoist
Magnat) ist es das lyrische Ich selbst, von dessen Innerem ein Beben ausgeht:
Mon corps tremble un tremblement de moi/un tremblement de terre./[…]/et là le silence
du monde/s’écroule sur moi (Shishmanian/Torabully 2011:130f.).
In der Cantate pour Haïti (Khal Torabully; (Shishmanian/Torabully 2011: 187)
wird das Beben der Erde auf die Erschütterung der Wirbelsäule übertragen
(Haïti, il n’y a pas que la terre qui tremble./Ma colonne vertébrale vacille, il me semble.).
Der séisme hat alle unmittelbar oder mittelbar Betroffenen tief erschüttert. In
seinem Ausmaß erscheint dies dem Schreibenden vergleichbar mit einer heftigen
Einwirkung auf die Wirbelsäule eines Menschen, die ein tragendes Element
für den Körper darstellt. Auch die Metapher des ‘bebenden Wortes‘ wird
wiederholt verwendet: Mes mots tremblent aussi,/[…]POUR TOI, LE MOT
TREMBLE A L’INFINI ! [ibid., 188; Majuskeln i. Orig., J.V.].
Visser: Poètes pour Haïti. La parola che ricostruice
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Im Gedicht Île, quel est ton nom? (Yve Bressande) projiziert der Autor das
Konzept ERDBEBEN auf die Ankunft Kolumbus‘, die er als ‘Beben der Zivilisation‘
darstellt (Tu vis débarquer Christophe Colomb/et ainsi disparurent Arawak
Caraïbe Taïnos/dans un tremblement de civilisation; Shishmanian/Torabully 2011:
43). Auch die haitianische Revolution wird als tremblement, diesmal bezogen auf
die politisch-sozialen Umwälzungen, konzeptualisiert (Et il y eut le tremblement
de la Révolution/l‘avènement des briseurs de chaînes; ibid.).
Man sieht auch in diesem Beispiel sehr deutlich, dass die Dichtenden Bezüge
herstellen zwischen dem Naturereignis des Erdbebens und von Menschen
hervorgebrachten sozialen Ungerechtigkeiten. Der Kampf gegen soziale Missstände,
gegen die Unterdrückung Haitis, als deren Verursacher die Kolonialisierung
gesehen wird, erscheint als Projektionsfläche, um gegen das Erdbeben
und seine Folgen zu kämpfen.
Das bereits thematisierte Gedicht À Haïti (Marie Cholette) projiziert das Bild
zusammengestürzter Paläste auf die soziale Situation und verbindet damit die
Hoffnung eines Zusammenbruchs der nicht egalitären Gesellschaftsstrukturen:
Locale et transnationale/Les mathématiques en état de choc/Ne
savent plus compter/Devant l’ampleur des morts/Ont perdu la
mémoire des chiffres/La mémoire leur revient/Placées brusquement
devant les rescapés/Les blessés et les vivants/Par quelles béances
dans le sol/Là où les palais détruits/Voisinent à présent/Les
bicoques/Sur un pied d’égalité/Le plus petit donnant au plus
grand/Haïti/Fais en sorte dans la reconstruction/Que Toussaint
Louverture puisse toujours/Te reconnaître (Shishmanian/Torabully
2011: 61).
6. Ergebnis der Analyse
Die in den untersuchten Gedichtbänden zusammengestellten lyrischen
Produkte machen deutlich, dass Erdbeben, wie andere Naturkatastrophen
auch, die Betroffenen dazu bewegen, Deutungsmuster für die Bewältigung des
Geschehenen zu entwerfen. Metaphern spielen als sprachliche Bilder dabei eine
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herausragende Rolle. Dies dürfte aber sicherlich auch für andere kulturelle
Artefakte und materielle Bilder gelten.9
Die Analyse des Materials hat gezeigt, dass sowohl in den Abruzzen als auch in
Haiti der Lärm des Bebens und die sich daran anschließende Stille besonderen
Eindruck bei den Zeugen der Katastrophe hinterlassen. Die Bewegung der Erde
und allem, was auf ihr steht, wird als – z.T. orgienhafter, hemmungsloser,
rauschhafter – Tanz empfunden. Das Erdbeben selbst erschüttert nicht nur die
Gebäude, sondern auch die Emotionen der Menschen.
Als Ursachen für die Erdstöße werden nur in Ansätzen Sünden der Menschen
vorgebracht: Die Sündhaftigkeit ist dabei jedoch weniger religiös zu interpretieren,
sondern eher als ‘Raubbau an der Natur‘, wie ein Beispiel aus dem
italienischen Korpus gezeigt hat. Die Verfasser haitianischer Gedichte jedoch
tendieren dazu, einen historischen Zusammenhang zu suggerieren und die
Verantwortlichkeit für alles Leiden ihres Volkes den (ehemaligen) Kolonialmächten
zuzuordnen.
Der Wiederaufbau der zerstörten Stätten und Städte wird in beiden Korpora als
‘Wiedergeburt‘ konzeptualisiert. Diese Perspektivierung zeigt eine Anthropomorphisierung
der Gebäude und Landstriche. Die Verwendung der Lexeme
rinascita und renaître muss aufgrund des Konventionalisierungsgrads dieser
Metapher allerdings nicht zwingend auf ein religiöses Framing hindeuten. Die
‘Wiederauferstehung‘ L’Aquilas wird aufgrund er geographischen Lage des
Ortes sowie des Toponomastikums, vielleicht aber auch aufgrund der kulturgeschichtlichen
Relevanz der Region als Rückkehr eines majestätischen Vogels
(Adler bzw. Phönix aus der Asche) gezeichnet.
In Haiti dagegen herrscht das Bild eines nicht nur im übertragenen Sinne unterdrückten,
gebeugt gehenden, vom Schicksal zu Boden geworfenen Volkes vor.
Das Erdbeben wird hier als Fortschreibung der durch Kolonialisierung und
Sklaverei erfolgten Diskriminierung des haitianischen Volkes betrachtet. Die
‘Wiederauferstehung‘ wird damit gleichgesetzt mit dem Einnehmen einer
aufrechten Körperhaltung, die das Abschütteln des Jochs symbolisieren soll.
Analog zu diesen Unterschieden in der Konzeptualisierung des Wiederaufbaus
9 Cf. z.B. die Ausstellung Entfesselte Natur. Das Bild der Katastrophe seit 1600 in der Hamburger
Kunsthalle (28.06.-14.10.2018).
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unterscheidet sich die Frage, welche Rolle Wörter (Gedichte) in dieser
renaissance spielen: Während Wörtern in den Abruzzen eher die Rolle von
‘Baumaterial‘ sowie die Funktion der Wiederbemächtigung von Erinnerungen
zugeschrieben wird, erscheinen sie im haitianischen Korpus als Waffen gegen
die historischen und gegenwärtigen Ungerechtigkeiten.
7. Fazit
Welche konkreten Schlussfolgerungen und Konsequenten ergeben sich aus den
Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei der Konzeptualisierung von
Erdbeben? Die Versprachlichung der Deutungsmuster kann dazu führen, dass
die Katastrophe für die Betroffenen besser fassbar wird. Sie kann Wege
aufzeigen, das Geschehene emotional zu verarbeiten und lässt die Opfer den
Wiederaufbau für möglich halten.
Gleichzeitig leisten die sprachlichen Bilder einen Beitrag zur Konstituierung der
kollektiven Identität, weil sie Vergangenheits- und Zukunftsentwürfe mitgestalten.
Vor diesem Hintergrund können sie instrumentalisiert werden „for the
cultural, political, ecological, ideological, and economical needs for the present
moment“ (Leikam 2015: 332).
Die Interpretation des Geschehenen kann nicht zuletzt konkrete Folgen haben
für das Katastrophenmanagement und die Katastrophenprävention:
When it comes to natural disasters, the dominant framings are
important because they directly influence the safety measures and
risk precautions and thus immediately affect the future vulnerability
of a place (Aragón-Durand 17-23), zitiert nach Leikam (2015: 332).
Wer davon ausgeht, dass Erdbeben vorhersagbar sind – wie dies die anfänglichen
Urteile zu Experten in Italien suggerieren – setzt Menschen anderen
Risiken aus, als dies der Fall ist, wenn man die Wahrscheinlichkeit von Beben
zumindest in als gefährdet geltenden Gebieten – als grundsätzlich immer
möglich betrachtet.
Wer – wie im Fall einiger haitianischer Texte zu beobachten – Naturkatastrophen
einreiht in durch Kolonialisierung und Sklaverei verursachte
Leiden, lehnt unter Umständen Hilfsangebote derjenigen Länder ab, die als
ehemalige Unterdrücker eingestuft werden.
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Zunehmend den öffentlichen Diskurs dominierende Phänomene wie der
Klimawandel zeigen, dass Menschen diese sehr unterschiedlich in ihren Ursachen
und Folgen deuten und dass sich aus diesen Perspektivierungen gesellschaftlich
höchst relevante Konsequenzen ergeben. Die Auseinandersetzung
mit der Perspektive der (potentiell) Betroffenen ist daher zweifellos wichtig.
8. Literaturverzeichnis
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